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Norbert Opfermann

Aktualisiert: 27. Juli 2019

Belgien ist für viele Eisenbahnfreunde ein weißer Flecken auf der Landkarte. Die belgischen Ardennen liegen in unmittelbarer Nachbarschaft, vom Rheinland aus ist der Abstecher an die Aisne durchaus in einer Tagestour zu schaffen. Schöner ist es aber, gleich ein Wochenende einzuplanen oder einen längeren Urlaub.


Die »Tramway Touristique de l’Aisne« (TTA, auf Deutsch »Touristische Straßenbahn an der Aisne«) ist eine der ältesten Museumseisenbahnen Belgiens. Die Schmalspur-Straßenbahn verläuft zwischen Érezée und Lamorménil durch ein ländliches Gebiet in der belgischen Provinz Luxembourg. Die Bahn fährt durch eine reizvolle Landschaft, anfangs verläuft sie im Tal der Aisne und steigt dann zwischen Dochamps und Lamorménil steil auf die Hochfläche der Ardennen an.



Die Museums-Straßenbahn an der Aisne.
Die Museums-Straßenbahn an der Aisne fährt mit Dieselantrieb.


Mitten im Herz der Ardennen

Die Gegend erinnert an den Schwarzwald. Tannen säumen die kurvige Straße hinunter ins Tal zum Ort Érezée. Érezée liegt mitten im Herzen der Ardennen, hier gibt es ein Schokoladenmuseum – die belgischen Schokoladenspezialitäten von der Schokoladenmanufaktur Defroidmont sind einfach zum Dahinschmelzen. Belgien ist weltberühmt für seine köstliche Schokolade – und die großen wallonischen Chocolatiers sind heute gewissermaßen Schokoladenbotschafter der belgischen Chocolatiers-Kunst. Defroidment lüftet in seinen Boutiquen in Durbuy und Erezée die Geheimnisse seiner Handwerkskunst. Erleben Sie bei einem Rundgang und einer Verkostung den Genuss hervorragender Schokolade. Philippe Defroidmont entdeckte in der familieneigenen Konditorei seine Leidenschaft für Schokolade und andere süße Köstlichkeiten. 1984 gründete er seine eigene Schokoladenmanufaktur, die sich seit dem Jahr 2000 am Waldrand von Érezée befindet. Schokoladenhamsterkäufe können im reich bestückten Ladengeschäft getätigt werden.


Wir verzichteten aber diesmal auf die Schokoladenseite von Érezée, denn uns zog es zum Museumsbahnhof. Die Schmalspurbahn (1.000 Millimeter Spurweite) wird vom gemeinnützigen Verein Tramway Touristique de l’Aisne (TTA) betrieben. Der TTA wurde am 18. September 1964 von Mitgliedern der Association pour le Musée du Tramway (abgekürzt Amutra, auf deutsch Vereinigung für das Straßenbahnmuseum) gegründet, die im alten Bahnhof von Schepdaal seit 1961 ein Kleinbahnmuseum verwaltet, das vor allem Meterspur-Fahrzeuge der Société Nationale des Chemins de Fer Vicnaux (SNCV) ausstellt. Nach Verhandlungen mit der SNCV erhielt die TTA am 1. April 1965 das Recht, den 11,2 Kilometer langen Abschnitt von Pont d'Érezée nach Lamorménil für einen Museumsbetrieb zu nutzen – dafür übernahm der Verein die Reparatur- und Instandhaltungskosten. Sie ist damit eine der frühesten Museumsbahnen Belgiens.


Die Museumsstrecke ist ein Teilstück der ehemaligen Schmalspurbahn von Melreux nach Manhay, die zwischen 1908 und 1912 erbaut wurde. 1959 wurde die Strecke stillgelegt. Ab 1965 begann der Verein mit der Streckensanierung; und zwei Straßenbahnen des Typs AR 133 wurden auf den Abstellgleisen in Blier abgestellt. Das AR steht für Autorail. Diese motorangetriebenen Straßenbahnen wurden 1966 in der SNCV-Werkstatt Cureghem restauriert. Der Museumsbahn-Betrieb begann am 25. Juni 1966 auf dem sechs Kilometer langen Streckenabschnitt von Érezée nach Forge-à-la-Plez. Im Jahr 1967 wurde in Blier eine viergleisige steinerne Remise und in Pont d'Érezée ein kleiner hölzerner Empfangspavillon errichtet.


Der Holzbau wich längst einem Neubau. 2005 wurde der Bahnhofsneubau in Pont d'Érezée eingeweiht. Er verfügt über eine Schalterhalle, beherbergt die örtliche Touristeninformation, eine Cafeteria und sanitäre Anlagen sowie eine große Ausstellungsfläche im ersten Stock. Anfangs besaß die TTA zwei Kleinbahn-Dampfloks. 1989 musste der Dampfbetrieb jedoch wegen Schäden der betagten Kessel eingestellt werden. Daraufhin konzentrierten sich die Vereinsmitglieder 1992 auf die Reparatur des Streckenabschnitts zwischen Forge-à-la-Plez und Dochamps.


2006 wurde eine Umgehungstraße in Dochamps gebaut, die den Betrieb zwischen Forge-à-la-Plez und Dochamps ermöglicht. Die befahrbare Streckenlänge betrug seitdem 9,4 Kilometer, und es musste nur noch ein 1,8 Kilometer langer Abschnitt saniert werden, um das Ende der Bahnlinie in Lamorménil zu erreichen. Die Aufräumarbeiten auf der Strecke zwischen Dochamps und Lamorménil begannen 2013. Die Streckenverlängerung von Forge-à-la-Plez über Dochamps nach Lamorménil wurde durch Prinz Laurent von Belgien am 21. Juni 2015 feierlich eröffnet. Seitdem ist die Strecke 11,2 Kilometer lang.


Wir befuhren die Strecke mit dem Dieseltriebwagen AR 133, das AR steht dabei für Autorail. Der AR 133 stammt aus dem Jahr 1935 und wurde von der wallonischen Firma Baume&Marpent gebaut. Das Bähnlein mit Beiwagen schaukelte und ratterte über die Gleise. Aber es bewältigte anstandslos auch die Steigung nach Lamorménil hinauf. Unterwegs fuhren wir an einer Biberkolonie vorbei. Der Steilabschnitt beginnt hinter einer ehemaligen Mühle, die einsam im Wald liegt. Der Höhenunterschied zwischen dem Ausgangspunkt Pont Érezée und dem Endpunkt Lamorménil beträgt rund 230 Höhenmeter. Dank des Engagements des Vereins konnte diese malerische Linie in den Ardennen erhalten werden.


Den Streckenverlauf der historischen Straßenbahn finden Sie hier.


Weitere Museumsbahnen beschreibe ich in meinem Buch: Eisenbahnen in Benelux.

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